Muhammad Ali, der sich damals noch Cassius Clay nannte, war bei seinem ersten Kampf gegen Sonny Liston erst 22 Jahre alt und seit vier Jahren Profi.
Bevor der Kampfvertrag unterzeichnet wurde, reiste Clay mit einem Bus durch die USA, auf den provokante Aufschriften geschrieben waren , und hatte so den Druck auf Listons Manager solange erhöht, bis ein Kampf um die WM-Krone zwischen dem "hässlichen, braunen Bären", wie Clay Liston zu nennen pflegte, und dem emporstrebenden jungen Boxer aus Louisville, der gerade 19 Profikämpfe mit einer durchschnittlichen Rundenzahl von fünf absolviert hatte, unausweichlich war.
Auch nachdem der Vertrag am 5. November 1963 unterzeichnet worden war, hörte Clay nicht auf, seinen Gegner zu verhöhnen. Er fuhr nachts bei Listons Haus vor und randalierte, bis Liston mit einem Feuereisen bewaffnet herausstürzte und eine Scheibe von Clays Bus zertrümmerte, bevor ihn die Polizei zurück ins Haus schaffte.
Liston musste Spottgedichte über sich ergehen lassen, die z. B. beschrieben, wie Clay Liston ausknocken würde. Beim traditionellen Wiegen vor dem Kampf geriet Clay so außer sich, dass alle Anwesenden, Liston eingeschlossen, ihn für verrückt erklärten. Der anwesende Arzt stellte einen Puls von 120 fest und erklärte, dies sei entweder auf enorme Angstzustände oder Aufregung zurückzuführen. In Wahrheit hatte Clay alles vorher genauestens einstudiert, um auf die Reporter und Listons Gefolge genau diesen Eindruck zu machen. In Folge dessen setzten 43 der 46 Sportreporter, die es damals in den USA gab, auf Liston, der bei den Buchmachern Favorit mit einer Quote von sieben zu eins war.
Zu Beginn des Kampfes stürzte sich Liston auf Clay, als wolle er ihn erledigen, wie er es zweimal mit Floyd Patterson getan hatte: In der ersten Runde. Doch der Herausforderer ließ ihn gar nicht an sich heran. Er tänzelte die ganze Zeit um Liston herum, der wenig Beinarbeit zeigte und mit seinen Schlägen nicht zu Clay durchkam, der ständig in Bewegung war. Immer wieder musste er seinerseits jedoch harte linke Geraden (jabs) hinnehmen, die ihm in der dritten Runde eine blutende Schramme unter dem linken Auge bescherten.
Aber plötzlich stand der Kampf auf der Kippe. In der Pause zwischen der vierten und der fünften Runde konnte Clay nichts mehr sehen. "Schneid' mir die Handschuhe auf, wir gehen nach Hause!" befahl er seinem Trainer Angelo Dundee. Doch der stieß ihn kurz bevor der Ringrichter den Kampf abbrechen konnte in die Ringmitte. Mit dieser Tat verschaffte er Clay den Titel und rettete ihm vielleicht sogar seine Karriere.
Denn Clay kam irgendwie durch die fünfte Runde, indem er sich ganz darauf konzentrierte, Listons Schläge abzuwehren, die er kaum sehen konnte. Er schlug selbst nur ein einziges Mal in der ganzen Runde. In der sechsten Runde konnte Clay dann wieder sehen und machte dort weiter, wo er nach der vierten Runde aufgehört hatte. "In der sechsten teilte er Schläge aus, die aus allen Richtungen gleichzeitig zu kommen schienen", schreibt José Torres in seiner Ali-Biographie.
Als der Gong den Beginn der siebten Runde einläutete, blieb Liston in seiner Ecke sitzen.
Clay konnte es nicht fassen. Er rannte im Ring herum und schrie "Ich muss der Größte sein!". In der Tat hatte der junge Bursche aus Louisville die Boxwelt auf den Kopf gestellt, einen Gegner, der für unschlagbar galt, besiegt und zum ersten Mal den WM-Titel im Schwergewicht gewonnen.
Der Revanchekampf gegen Liston
vs. Sonny Liston (I) - vs. Sonny Liston (II) - vs. Joe Frazier (I) - vs. George Foreman - vs. Joe Frazier (III)